Der Beschluss der VK Bund vom 12.05.2020
Gerade bei der Konzepterstellung im Hinblick auf Qualitätskriterien stellt sich für Bieter oftmals die Frage, welche Ausführungen konkret erwartet werden. Auch wenn sich dies nach den Umständen und Vorgaben des jeweiligen Einzelfalls richtet, führt der Beschluss der VK Bund vom 12.05.2020 (VK 2-13/20, abrufbar unter folgendem Link) insoweit anschaulich und verallgemeinerungsfähig vor Augen, dass zumindest die bloße Wiedergabe der vom Auftraggeber vorgegebenen Qualitätsanforderungen nicht ausreichend ist, um die volle Punktezahl abzuräumen.
Die Auftraggeberin schrieb Bewachungsdienstleistungen europaweit aus. Die Zuschlagskriterien waren zu 40 % der Preis und zu 60 % die Qualität des Angebots.
Die Vergabeunterlagen enthielten eine Aufzählung der einzelnen Qualitätskriterien, die jeweils maximal erreichbaren Punkte, einen maximalen Seitenumfang der jeweiligen Darstellung und eine Erklärung.
Bezogen auf das Qualitätskriterium 1.1 „Auftragsspezifische Erfahrung der aufsichtsführenden Wachperson“ lautete die Erklärung:
„Detaillierte Darstellung des Bieters, inwieweit das eingesetzte Personal zum Zeitpunkt des Einsatzes über vertragsnahe Erfahrung in der Bewachung, der Bewachung kritischer Infrastruktur oder bewaffneter Sicherheitsdienstleistungen verfügt.
– ausgezeichnet: Der Bieter erhält die volle Punktzahl, wenn er nur Wachpersonen mit einer Berufserfahrung von mindestens 3 Jahren in aufsichtsführender Funktion einsetzt.
– überobligatorisch: Der Bieter erhält die halbe Punktzahl, wenn er nur Wachpersonen mit einer Berufserfahrung von mindestens 1 Jahr in aufsichtsführender Funktion einsetzt.
– Andernfalls auftragsgerecht und der Bieter erhält für dieses Kriterium null Punkte.“
Der zulässige Umfang war mit „maximal einer Seite“angegeben.
Unter anderem gaben die Antragstellerin und die Beigeladene ein Angebot ab. Im Rahmen des Vorabinformationsschreibens teilte die Auftraggeberin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Insbesondere beim Qualitätskriterium 1.1 bleibe das Angebot der Antragstellerin deutlich hinter demjenigen der Beigeladenen zurück, da die entsprechende Darstellung nicht detailliert genug gewesen sei.
Nach erfolgloser Rüge der Vergabeentscheidung gegenüber der Auftraggeberin leitete die Antragstellerin bei der VK Bund ein Vergabenachprüfungsverfahren ein.
Entscheidung der VK Bund: „Detaillierte Darstellung des Bieters“ bedeutet mehr als ein bloßes Abschreiben der vorgegebenen Qualitätsanforderungen!
Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin sei, so die VK Bund, auch beim Qualitätskriterium 1.1 beurteilungsfehlerfrei und gehe insbesondere nicht von Anforderungen aus, die ein Bieter bei sachgerechter Auslegung der Vergabeunterlagen nicht hätte erkennen können. Die Ausführungen der Antragstellerin erforderten keine bessere als die von der Auftraggeberin vorgenommene Bewertung, sodass das Angebot von seinen Wertungspunkten her insgesamt hinter demjenigen der Beigeladenen zurückbleibe und nicht für den Zuschlag in Betracht komme.
In ihrem Angebot habe die Antragstellerin im Wesentlichen sinngemäß bestätigt, dass die aufsichtsführende Wachperson eine Berufserfahrung von mindestens drei Jahren habe und über vertragsnahe Erfahrungen verfügen werde. Dies genüge, so die VK Bund weiter, nicht den Anforderungen an eine detaillierte Darstellung und rechtfertige die von der Auftraggeberin vergebene Bewertung mit null Punkten.
Schon vom Wortlaut her erschließe sich, dass eine „detaillierte Darstellung des Bieters“sich nicht in der schlichten Wiedergabe der von der Auftraggeberin vorgegebenen Qualitätsanforderungen erschöpfen könne. Die geforderte Darstellung solle explizit ergeben, „inwieweit das eingesetzte Personal […] über vertragsnahe Erfahrung“verfüge. Das (vermeintliche) Verständnis der Antragstellerin, nach dem die Detaillierung vorliegend allein darin bestehe, die Zahl der mindestens vorhandenen Jahre Berufserfahrung der aufsichtsführenden Wachperson anzugeben, überzeuge nicht. Denn eine solche Darstellung wäre schon erforderlich, um überhaupt eine erste Zuordnung zu einer Qualitätswertungsstufe vornehmen zu können. Da die Darstellung jedoch zusätzlich „detailliert“sein müsse, seien erkennbar weitere Ausführungen erforderlich gewesen. Diese dienten offensichtlich und nachvollziehbar dazu, die Auftraggeberin in die Lage zu versetzen, die tatsächliche Realisierbarkeit einer späteren Auftragserfüllung zu den angebotenen Qualitätsstandards prüfen zu können. Die Erläuterungen der Bieter müssten daher plausibel die geplante Umsetzung der Qualitätsvorgaben darlegen.
Dieses Verständnis werde, so die VK Bund weiter, durch die Zuschlagskriterien erhärtet. Danach komme der Qualitätsbewertung mit 60 % eine übergeordnete Rolle zu. Ein Bieter könne nicht erwarten, für die bloße inhaltliche Wiederholung der ohnehin vom Auftraggeber formulierten Vorgaben die Maximalpunktzahl zu erhalten.
Dies ergebe sich im Übrigen auch aus den Vergabeunterlagen, in denen vorgegeben werde, dass „sämtliche Ausführungen zu den Qualitätskriterien so zu formulieren sind, dass eindeutig erkennbar ist, wie [!, nicht nur dass] der Auftragnehmer die Zusagen über den gesamten Vertragszeitraum verbindlich sicherstellt“.
Schlussendlich könne auch noch auf den angegebenen maximalen Seitenumfang der Ausführungen zum Qualitätskriterium verwiesen werden, der für das Kriterium 1.1 bei maximal einer Seite liege. Zwar ergebe sich daraus kein Mindestumfang der Darstellung, sondern es sollten weitschweifige Ausführungen der Bieter verhindert werden. Zumindest mittelbar ergebe der zulässige Seitenumfang jedoch auch, welche Ausführungen die Auftraggeberin als sachdienlich ansehe. Sofern man mit der Antragstellerin davon ausgehe, dass eine schlichte Bestätigung, eine aufsichtsführende Wachperson mit mindestens drei Jahren entsprechender vertragsnaher Berufserfahrung anzubieten, ausreichend sei, sei, so die VK Bund, auch eine halbe Seite eine weitschweifige Darstellung, sodass die Auftraggeberin eine deutlich knappere Begrenzung hätte vorsehen können.
Daher sei die Beurteilung des Angebots der Antragstellerin bei Qualitätskriterium 1.1 mit null Punkten sachgerecht und vom Beurteilungsspielraum der Auftraggeberin gedeckt.
Die Entscheidung der VK Bund führt an einem konkreten Beispiel anschaulich vor Augen, dass es gerade im Hinblick auf die Aufstellung und Erläuterung von Qualitätskriterien durch den Auftraggeber auf jedes Wort ankommt und dabei zur Auslegung auch die sonstigen Angaben in den Vergabeunterlagen heranzuziehen sind. Bieter tun insoweit gut daran, sich die gesamten Vergabeunterlagen vor Angebotserstellung aufmerksam im Gesamtzusammenhang durchzulesen. Sofern nach Lektüre Fragen offen bleiben, sollten diese an den Auftraggeber adressiert werden. Ferner sind Bieter, die die „Punktekuh“ ordentlich melken wollen, gut beraten, nicht zu minimalistisch an die Darstellung bezüglich der Qualitätskriterien heranzugehen, sondern im Zweifel lieber einen Satz mehr aufzunehmen. Hier gilt zumeist der Grundsatz: „Wer schreibt, der bleibt!“
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