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OLG Dresden, Beschluss vom 23. September 2016 – Az. Verg 3/16
Sachverhalt
Ein Auftraggeber (Ag) schrieb das Management von Speisenversorgungs- leistungen an mehreren Klinikstandorten aus. Nach dem Inhalt der Vergabe- unterlagen sollten die Bieter in ihren Angeboten diverse Angaben zu dem von ihnen beabsichtigten Personaleinsatz und die dadurch entstehenden Kosten machen. Hierfür war den Vergabeunterlagen unter anderem eine Anlage beigefügt, die die Kosten für das fachliche Management der Speisenversorgung, das Vollzeit- kräftevolumen und das Personenvolumen abfragte. Zu den vom Auftragnehmer am Standort W. einzusetzenden Servicekräften enthielten die Vergabeunterlagen keine Mindestvorgaben. Der Antragsteller (ASt) trug daraufhin in die vorgegebene Tabelle die Ziffer 4,0 ein. In der Zeile „Administrationskraft; Auftragnehmer“ nahm der ASt die Eintragung 0,66 vor.
Der Ag informierte den Ast nach der Angebotsprüfung und – wertung darüber, dass dessen Angebot auszuschließen sei, weil es in unzulässiger Weise von den Vergabeunterlagen abweiche. Im Hinblick auf die Angabe der Servicekräfte zur Versorgung des Standorts führte der Ag unter anderem aus, dass die Angabe von nur vier Servicekräften für die Versorgung der acht Stationen am Standort W. nicht auskömmlich sei. Der ASt rügte die beabsichtigte Auftragsvergabe und beantragte bei der Vergabekammer, sein Angebot wieder zuzulassen sowie die Angebots- wertung erneut durchzuführen. Die Vergabekammer lehnte dieses Ansinnen ab und bestätigte den Angebotsausschluss. Hiergegen wandte sich der ASt mit seiner sofortigen Beschwerde.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der ASt hat nach Ansicht des Vergabesenats am Standort W. keine ausreichende Anzahl von Servicekräften vorgesehen. Der Vergabesenat erblickte darin ein Abweichen von den Vertragsunterlagen und kam deshalb zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Angebots unumgänglich war.
Der Senat betont in seiner Entscheidung, dass das Fehlen von ausdrücklichen Mindestvorgaben nicht bedeutet, dass die Bieter Ihren Angaben völlig frei gewesen wären. Vielmehr liege es auf der Hand, dass die Angebotsunterlagen die Angabe jedenfalls so vieler Servicekräfte erwarten ließen, wie zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung mindestens notwendig seien. Der Senat schließt sich dabei der Erklärung des Ag an, wonach mit nur vier Servicekräften der Arbeitsanfall nicht zu bewältigen sei. Zum einen geht der Senat davon aus, dass die von demASt für den Standort W. eingeplanten Einsatzkräfte zu der Anzahl der Vollzeitkräfte an anderen Standorten offenkundig und in nicht nachvollziehbarer Art und Weise abweichen. So sehe das Angebot des Ast für einen anderen Standort beispielsweise 1,28 Vollzeitkräfte pro Station vor, für den Standort W. dagegen nur 0,57 Vollzeitkräfte pro Station. Daran ändert sich nach Ansicht des Vergabesenats auch dann nichts, wenn man bei einer Gegenüberstellung der Anzahl der Servicekräfte an den beiden Standorten die Frage berücksichtigt, wie viele Patienten von einer Vollzeitkraft bedient werden (müssen). Nach dem Vortrag des ASt soll an den übrigen Standorten eine Vollzeitkraft durchschnittlich 17,5 Patienten betreuen. Am Standort W. soll dagegen eine Vollzeitkraft für durchschnittlich 20,6 Patienten zuständig sein. Das sind in Anbetracht der erfahrungsgemäß knapp gehaltenen Kalkulationen in der Anzahl von in einem Krankenhaus tätigen Kräfte im nichtärztlichen Dienst nach Ansicht des Vergabesenats nicht unerhebliche Differenzen, die einen Ausschluss des Angebots erforderlich machen.
Rechtliche Würdigung und Praxishinweis
Die Entscheidung überzeugt nicht. Auch wenn dem Vergabesenat zuzugestehen ist, dass Bieter so viele Servicekräfte anzubieten haben, wie zur ordnungs- gemäßen Erbringung der Leistung (mindestens) notwendig sind, ist vorliegend fraglich, ob in einer nach Auffassung des Auftraggebers zu niedrigen Zahl ein Ausschluss wegen „Änderungen oder Ergänzungen der Vergabeunterlagen“ erachtet werden kann. Da jeder Bieter nur das anbieten darf, was der Auftraggeber tatsächlich nachgefragt hat, und sich keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen darf, indem er von den Vorgaben abweicht, ist gewährleistet, dass nur solche Angebote gewertet werden, die in jeder aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht miteinander vergleichbar sind. Unzulässige Änderungen an den Vergabe- unterlagen liegen allerdings immer nur dann vor, wenn das Angebot von den genannten Vorgaben (eindeutig) abweicht, also immer dann, wenn ein Bieter etwas Anderes anbietet als vom Auftraggeber nachgefragt, sodass sich Angebot und Nachfrage nicht decken. Um festzustellen, ob ein Bieter die Vergabeunterlagen unzulässig geändert hat, ist mithin sein Angebot mit den in den Vergabeunterlagen genannten Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers an die zu erbringende Leistung zu vergleichen (vgl. Dittmann, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2017, § 57 Rn. 47 ff. m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob in den Angaben des ASt im Angebot bereits eine Änderung der Vergabeunterlagen erblickt werden kann. Der Ausschlussgrund war für den ASt vorliegend jedenfalls nicht (ohne Weiteres) ersichtlich und daher (zu) unbestimmt.
Der Streitfall hätte vorliegend vermieden werden können, wenn der Auftraggeber seine Hausaufgaben in Gestalt einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung im Sinne des § 121 Abs. 1 GWB bei der Verfahrens- vorbereitung gemacht hätte. Auftraggebern ist daher grundsätzlich zu empfehlen, immer dann Vorgaben bzw. Mindestanforderungen festzulegen, wenn sie ein bestimmtes Leistungsniveau, vorliegend eine bestimmte Mindestanzahl von Servicekräften, erwarten. Unterlassen sie dahingehend eindeutige Vorgaben bzw. verzichten sie auf Mindestanforderungen laufen sie Gefahr, dass die Bieter Leistungen anbieten und/oder entsprechende Angaben machen, die Zweifel an der Auskömmlichkeit der angebotenen Leistungen begründen.
Erkennen Auftraggeber aufgrund von Bieterfragen (erst) während der Verfahrensdurchführung, dass es Unklarheiten über den Mindestleistungsumfang gibt, ist ihnen zu empfehlen, diese durch Konkretisierung der Vergabeunterlagen allen Bietern gegenüber rechtzeitig auszuräumen. Dadurch hätte dieses Vergabenachprüfungsverfahren vermieden werden können.
Bietern auf der anderen Seite ist zu raten, rechtzeitig eindeutige Fragen zum erforderlichen Umfang von Leistungen zu stellen, wenn sie Zweifel haben. Nur dadurch (und entsprechend eindeutige Antworten des Auftraggebers) haben sie eine verlässliche Grundlage, auf der sie ihr Angebot hinreichend sicher kalkulieren und etwaiger Angebotsausschlüsse vermeiden können.
Vorliegend haben sowohl der Auftraggeber als auch der Bieter Fehler gemacht, welche im Nachprüfungsverfahrens vor dem Vergabesenat mündeten.
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