VK Bund, Beschluss vom 17. Juli 2019 – Az. VK 2-36/19
Der öffentliche Auftraggeber („AG“) schrieb die Erbringung von Call-Center-Dienstleistungen, sog. In-Bound-Calls, im Wege eines offenen Verfahrens aus. In den Vergabeunterlagen gab der AG unter anderem vor, wie schnell die eingehenden Anrufe im Call-Center durch die Mitarbeiter des Auftragnehmers entgegenzunehmen sind.
Die Antragstellerin („ASt“) gab fristgemäß ein Angebot ab, das in preislicher Hinsicht mit großem Abstand das günstigste war. Bestandteil ihres Angebots war – wie gefordert – ein Konzept zur Personalplanung. Darin gab sie an, im Durchschnitt nur eine genau bestimmte Anzahl an namentlich benannten Servicemitarbeitern für die Bearbeitung der eingehenden Telefonate einzusetzen. Die ASt gab ferner in ihrem Konzept zur Sicherstellung der Bearbeitung eingehender Anrufe an, dass Anrufe an weitere für die Bearbeitung von Telefonaten im Allgemeinen verfügbaren anderen Mitarbeiter der ASt weitergeleitet würden, wenn die für den streitgegenständlichen Auftrag zuständigen Mitarbeiter einen Anruf nicht bearbeiten könnten.
Aufgrund der erheblichen preislichen Abweichung zum nächstgünstigeren Angebot, forderte der AG die ASt gemäß § 60 Abs. 3 S. 1 VgV zur Erläuterung der Auskömmlichkeit des Angebots auf.
Dieser Forderung kam die ASt mit einem gesonderten Schreiben nach. Auch nach der Prüfung dieses Schreibens hielt der AG es für nicht nachvollziehbar, dass der erforderliche Stundenbedarf für die jeweiligen Servicezeiten abgedeckt sei. Er schloss unter anderem deshalb das Angebot aus.
Dies rügte die ASt und reichte nach einer entsprechenden Rügezurückweisung einen Nachprüfungsantrag ein.
Ohne Erfolg! Die Vergabekammer hielt den Ausschluss des Angebots für rechtmäßig.
So habe der AG zunächst richtigerweise eine Preisprüfung vorgenommen, da das Angebot der ASt um mehr als 20% von den Angeboten der anderen Bieter abwich. Die Vergabekammer verwies hierbei auf die einschlägige Rechtsprechung und Literaturstimmen, die bei einer solch starken prozentualen Abweichung von einer Aufklärungspflicht durch einen Auftraggeber ausgehen (sog. „Aufgreifschwelle“).
Sodann durfte der AG auf Grundlage der von der ASt zur Verfügung gestellten Informationen annehmen, dass die ASt die vertraglichen Anforderungen vor allem zu den Peak-Zeiten nicht ordnungsgemäß erfüllen würde. Es sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass der kalkulierte Ansatz der ASt für eine vertragsgemäße Erbringung nicht ausreiche und sich daher die Risiken eines nicht auskömmlich kalkulierten Angebotes realisieren könnten. Eine solche prognostische Unsicherheit reiche für eine nicht zufriedenstellende Aufklärung der Preiskalkulation aus.
Die Entscheidung der Vergabekammer ist nicht zu beanstanden. Bei einem Preisabstand von mehr als 20% besteht für den Auftraggeber nicht nur ein Aufklärungsrecht, sondern sogar eine Aufklärungspflicht. Einige landesrechtliche Vergabebestimmungen sehen sogar eine noch niedrigere Aufgreifschwelle vor (vgl. z.B. 10% gemäß § 3 S. 2 BerlAVG). Bezugspunkt für die Berechnung des prozentualen Preisabstandes ist dabei nicht nur der nächstteurere Preis eines anderen Bieters, sondern auch die Auftragswertschätzung des Auftraggebers.
Verbleiben – wie im streitgegenständlichen Fall – auch nach der Aufklärung noch Zweifel an einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung im Falle der Zuschlagserteilung, ist das Angebot auszuschließen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – Az. X ZB 10/16).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in Einzelfällen auch unauskömmliche Angebote zuschlagsfähig sein können. Zwingend erforderlich ist für solche Fälle, dass nach Einschätzung des Auftraggebers trotz der Unauskömmlichkeit eine ordnungsgemäße Leistung erwartet werden kann. Nach Auffassung des Kammergerichts durfte beispielsweise ein Auftraggeber ein Unterkostenangebot bezuschlagen, da der Bieter dieses Angebot abgegeben hat, um durch den Erhalt des Auftrags seine Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen (vgl. KG, Beschluss vom 15. Februar 2019 – Az. -Verg 9/17).
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