OLG Rostock, 9. Dezember 2020 – 17 Verg 4/20
Die Antragstellerin betreibt ein labormedizinisches Versorgungszentrum. Es handelt sich dabei um ein medizinisch akkreditiertes Labor, das seinen Einsendern, zu denen niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser gehören, umfassende labormedizinische Dienstleistungen bietet. Insbesondere führt die Antragstellerin anlassbezogene Corona-Tests bei einschlägiger Symptomatik durch. In einer E-Mail vom 24. April 2020 weist die Antragstellerin die Ministerpräsidentin des LandesMecklenburg-Vorpommern darauf hin, dass ihre Testkapazitäten in ihrem Labor noch nicht ausgeschöpft seien.
Am 7. Mai 2020 wird ein anderes Unternehmen, die spätere Beigeladene, damit beauftragt, in der Zeit vom 8. Mai 2020 bis zum 31. Juli 2020 anlasslose Massentestungen von Bewohnern und Mitarbeitern in Alten- und Pflegeheimen durchzuführen. Die Antragstellerin erfährt von diesem Auftrag aus der Tagespresse. Ein europaweites Vergabeverfahren ist nicht durchgeführt worden. Stattdessen hat der Auftraggeber den Vertrag direkt an die Beigeladene mit Verweis auf „äußerst dringliche, zwingende Gründe“ im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vergeben. Andere Marktteilnehmer wurden in diesen Beschaffungsvorgang nicht eingebunden.
Die Antragstellerin hält dieses Vorgehen für rechtswidrig und zieht deshalb vor die Vergabekammer. Diese weist den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen von § 14 Abs. 4 Nr. 3 GWB gegeben seien und deshalb die eine direkte Beauftragung der Beigeladenen rechtmäßig erfolgt sei. Hiergegen legt die Antragstellerin Rechtsmittel beim OLG Rostock ein.
Mit Erfolg. Nach Auffassung des OLG Rostock ist zwar der Tatbestand des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfüllt. Daraus folge aber nicht, dass der Auftraggeber die Beigeladene im Wege der Direktvergabe beauftragen durfte, ohne an andere potentielle Anbieter heranzutreten. Der Antragsgegner hätte vielmehr im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung zumindest Wettbewerb „light“ ermöglichen und hierzu – wenigstens – ein Angebot der Antragstellerin einholen müssen. Dies mache das sich aus § 97 Abs. 1 S. 1 GWB ergebende Wettbewerbsgebot erforderlich.
Der Auffassung des OLG Rostock ist zuzustimmen. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie gilt das Vergaberecht. Dementsprechend sind die sich aus § 97 GWB ergebenden Grundsätze der Vergabe – einschließlich des Wettbewerbsgebots – (selbstverständlich) weiterhin zu beachten.
Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass ein öffentlicher Auftraggeber keine Mittel hat, um auf die besonderen Herausforderungen, die die allgegenwärtige Pandemie mit sich bringt, angemessen zu reagieren. Im vorliegenden Fall hätte beispielsweise gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden dürfen. Mithin musste das Beschaffungsvorhaben nicht europaweit bekanntgemacht werden, damit sich jedes interessierte Unternehmen beteiligen kann. Im Sinne des Wettbewerbsgebots hätte jedoch mehr als ein Unternehmen in die Beschaffung eingebunden werden müssen.
Veranstaltungen im Vergaberecht
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