Ankündigung der EU-Kommission
Im Rahmen ihrer Rede vom 05.04.2022 hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits angekündigt, dass im Rahmen des 5. Sanktionspaketes der Europäischen Union vor dem Hintergrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine auch ein allgemeines EU-weites Verbot der Teilnahme russischer Unternehmen an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden solle. Dadurch solle verhindert werden, dass staatliche Finanzmittel der EU-Mitgliedstaaten, in welcher Form auch immer, nach Russland fließen.
Am 08.04.2022 hat dann der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EU) 2022/576 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, erlassen. Diese ist am 09.04.2022 in Kraft getreten. Sie entfaltet als Verordnung unmittelbare Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten und hat direkte Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen sowie die laufende Ausführung bereits geschlossener Verträge.
Nach dem durch Art. 1 Nr. 23 der Verordnung (EU) 2022/576 neu in die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 eingefügten Art. 5k Abs. 1 (Artikel-Angaben im Folgenden beziehen sich immer auf die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in der Fassung des Art. 1 Nr. 23 der Verordnung (EU) 2022/576) ist es seit dem 09.04.2022 unter anderem verboten, öffentliche Aufträge und Konzessionen an russische Staatsangehörige und in Russland niedergelassene Organisationen oder Einrichtungen zu vergeben und Verträge mit solchen Personen, Organisationen oder Einrichtungen weiterhin zu erfüllen. Für Verträge, die vor dem 09.04.2022 geschlossen wurden, gilt gemäß Art. 5k Abs. 4 eine Übergangsfrist bis zum 10.10.2022.
Die Verbote gelten ab Erreichen der EU-Schwellenwerte für öffentliche Aufträge und Konzessionen, für die die EU-Vergaberichtlinien und damit die bundesrechtlichen Vorschriften des GWB mit den Verordnungen VgV, VOB/A-EU, KonzVgV, SektVO und VSVgV gelten. Zusätzlich fallen unter die Verbote auch bestimmte Aufträge und Konzessionen, die eigentlich aufgrund von Ausnahmevorschriften/Bereichsausnahmen aus dem Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts ausgenommen sind, wie etwa Grundstücks- und Immobilienverträge (nur Konzessionen) oder von gemeinnützigen Organisationen erbrachte Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr. Eine Übersicht über die Ausnahmen der Vergabe-Richtlinien, die in den Anwendungsbereich von Art. 5k fallen, findet sich auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, dort unter folgendem Link.
Nach Art. 5k Abs. 1 sind folgende Personen, Organisationen und Einrichtungen als Bewerber oder Bieter von den Verboten betroffen:
Daneben sind auch mittelbar an der Auftragsausführung beteiligte Personen und Unternehmen (konkret: Unterauftragnehmer, eignungsverleihende Unternehmen und Lieferanten) von dem Zuschlagsverbot erfasst, wenn diese mehr als 10 % des Auftragswertes erhalten (in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich die einzelnen Sprachfassungen der Verordnung im Hinblick auf das 10%-Kriterium inhaltlich leicht unterscheiden).
In engen Grenzen besteht die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen. So sieht Art. 5k Abs. 2 vor, dass die zuständigen Behörden die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen genehmigen können, die bestimmt sind für
Zum Nachweis, dass weder der Bewerber/Bieter selbst, noch eine mittelbar an der Auftragsausführung beteiligte Person bzw. Unternehmen unter das Verbot des Art. 5 k fällt, kann im Vergabeverfahren z. B. eine entsprechende Eigenerklärung verlangt werden. Ein Muster für eine solche Erklärung stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz als Word-Dokument auf seiner Homepage zur Verfügung.
Auch viele Bundesländer haben schon reagiert und durch Rundschreiben und/oder auf ihren Internetseiten Muster-Eigenerklärungen und/oder Merkblätter zur Verfügung gestellt, die ab sofort in allen Vergabeverfahren (auch schon begonnenen) den Vergabeunterlagen beigefügt werden sollen oder gar müssen.
Auch unabhängig von einer entsprechenden Verpflichtung ist öffentlichen Auftraggebern, Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern in jedem Fall zu raten, bei aktuellen Vergabeverfahren, die in den Anwendungsbereich der durch die Verordnung (EU) 2022/576 neu gefassten und ergänzten Verordnung (EU) Nr. 833/2014 fallen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Zuschlagsverbot aus der Verordnung eingehalten wird.
Des Weiteren müssen öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, die vor dem 09.04.2022 unter das Verbot fallende Verträge geschlossen haben, die betroffenen Aufträge bzw. Konzessionen zeitnah neu ausschreiben, um bis zum Auslaufen der Übergangsfrist am 10.10.2022 einen neuen Vertragspartner zu finden, der die betroffenen Leistungen sodann nahtlos übernehmen kann. Nähere Hinweise zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsvergabe enthält insoweit das Rundschreiben zur Anwendung von dringlichen Vergaben im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 13.04.2022.
Mit Blick auf das sich fortsetzende und immer weiter eskalierende Kriegsgeschehen in der Ukraine bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen mit russischen Staatsangehörigen und Unternehmen weiter eingeschränkt wird. Insoweit erscheint es insbesondere möglich, dass auf Grundlage von nationalen Entscheidungen das Verbot auch auf den Unterschwellenbereich erstreckt wird.
Veranstaltungen zum Vergaberecht
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