Beschluss der VK Bund vom 20.05.2020
Immer wieder beschäftigen die Vergabenachprüfungsinstanzen Angebote, die aufgrund von Schwierigkeiten und Problemen beim Hochladen von elektronischen Angeboten auf die Vergabeplattform nicht form- und/oder fristgerecht eingegangen sind. In diesem Sinne setzt sich der Beschluss der VK Bund vom 20.05.2020 (VK-2-19/20, abrufbar unter folgendem Link) – ausgehend von den Umständen des konkreten Einzelfalls – mit der Frage auseinander, wer den verspäteten Angebotseingang nach dem dafür maßgeblichen Sphärengedanken zu vertreten hat. An den entsprechenden Erwägungen der VK Bund und den Auswirkungen für die Vergabepraxis wollen wir Sie im Folgenden gerne teilhaben lassen:
Die Auftraggeberin schrieb eine Rahmenvereinbarung im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb nach den Vorschriften der Vergabeordnung Verteidigung-Sicherheit („VSVgV“) in zwei Losen europaweit aus. Die beiden elektronischen Erstangebote der Antragstellerin gingen sieben Minuten nach Ablauf der Angebotsfrist auf der Vergabeplattform ein.
Daraufhin informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin über den Ausschluss ihrer Angebote nach § 31 Abs. 2 Nr. 5 VSVgVwegen verspäteten Eingangs. Die Angebote könnten daher nicht zum weiteren Verfahren zugelassen werden. Die Verspätung sei der Sphäre der Antragstellerin zuzuordnen, denn eine Störung der E-Vergabe-Umgebung habe an diesem Tag ausweislich der Log-Datei nicht vorgelegen. Eine Nachschau der beiden Angebotsvordrucke der Antragstellerin habe im Übrigen ergeben, dass ein Angebot kurz vor und ein Angebot zum Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist signiert worden sei.
Die Antragstellerin rügte den Ausschluss ihrer Angebote und machte geltend, sie habe die Verspätung nicht zu vertreten gehabt. Insbesondere habe sie rechtzeitig, nämlich 20 Minuten vor Fristablauf, mit dem Hochladevorgang begonnen. Im Rahmen eines Updates der für das Hochladen der Angebote erforderlichen App aufgetretene Probleme seien der Sphäre der Auftraggeberin zuzuordnen.
Nachdem die Auftraggeberin den Rügen nicht abhalf, leitete die Antragstellerin bei der VK Bund ein Vergabenachprüfungsverfahren ein.
Entscheidung der VK Bund: Die Antragstellerin hat den verspäteten Eingang der Angebote zu vertreten!
Zunächst stellt die VK Bund heraus, dass der Anwendungsbereich der Ausschlussnorm des § 31 Abs. 2 Nr. 5 VSVgVeröffnet sei, da auch Erstangebote im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens darunter fielen. Denn es handele sich um „normale“ Angebote, für die alle Regeln des Vergaberechts gölten, soweit nicht spezifische Ausnahmen für Verhandlungsverfahren vorgesehen seien. In Bezug auf die Einhaltung von Fristen, etwa der Angebotsfrist, sei jedoch für Erstangebote im Verhandlungsverfahren keine Ausnahme vorgesehen, sodass auch diese fristgerecht einzureichen seien.
Vorliegend seien die Angebote unstreitig nach Ablauf der Angebotsfrist eingegangen. Die Antragstellerin habe, so die VK Bund, den verspäteten Eingang auch im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 5 VSVgVzu vertreten.
Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Antragstellerin – ihre eigenen Angaben zugrunde legend – (erst) 20 Minuten vor Ablauf der Angebotsfrist mit dem gesamten Hochladevorgang begonnen habe. Letztendlich sei der Vorgang zwar erfolgreich gewesen, er habe jedoch einer Zeitspanne von 27 Minuten bedurft, die hier zu lang gewesen sei, um die Frist einhalten zu können. Zwar stehe es einem Bieter zu, die Angebotsfrist auszuschöpfen. Hier sei jedoch weder durch die Antragstellerin geltend gemacht noch sei es sonst erkennbar, dass die Angebotsfrist in irgendeiner Weise zu knapp bemessen gewesen sein könnte. Der Ablauf der Angebotsfrist liege rund vier Monate nach der Auftragsbekanntmachung und die Angebotsfrist habe gerechnet ab der Aufforderung zur Angebotsabgabe rund sechs Wochen betragen. Daher habe es keinen auf das Fristenregime der Auftraggeberin zurückgehenden sachlichen Grund gegeben, erst so kurzfristig mit dem Hochladen zu beginnen. Wenn das Hochladen nicht auf Anhieb funktioniere und dies zu einer (wenn auch, wie hier, sehr geringfügigen) zeitlichen Verzögerung führe mit der Folge des Versäumnisses der Angebotsfrist, so falle dies in die Sphäre des Bieters, der verantwortlich für die Organisation seiner internen Abläufe sei.
Ein Nichtvertretenmüssen der Antragstellerin sei bei dieser Sachlage, so die VK Bund weiter, nur anzunehmen, wenn erwiesenermaßen eine von der Auftraggeberin zu vertretende Fehlfunktion des elektronischen Systems vorgelegen habe. Die App, die für das Hochladen der Angebote erforderlich sei, stelle eine Anwendungssoftware dar, die auf dem PC des Nutzers implementiert werde. Die App und ihr Funktionieren hingen von der Konstellation des lokalen PCs ab, auf die die Auftraggeberin keinen Einfluss habe, z. B. eine etwaig installierte Firewall, Virenprogramme usw.. Die App liege daher in der Sphäre des Nutzers, also der Antragstellerin.
Wenn nun im Rahmen eines Updates der App, das über den Server der Auftraggeberin in Kommunikation mit der auf dem PC der Antragstellerin befindlichen App aufgespielt werde, irgendwelche Probleme aufgetreten seien, für welche die Antragstellerin nunmehr die Auftraggeberin verantwortlich machen wolle, so habe es der Antragstellerin oblegen, sich angesichts der laufenden Zeit direkt bei der Auftraggeberin zu melden, und zwar nicht beim Vergabesachbearbeiter zum Zeitpunkt des Fristablaufs, sondern bei der technischen Hotline (deutlich) vor Fristablauf. Die Auftraggeberin habe ihrer Informationspflicht nach § 11 Abs. 3 VgVhier umfassend entsprochen, indem sie den Bietern ein kurzes, überblicksmäßiges Infoblatt zur elektronischen Vergabe an die Hand gegeben habe, das auf ausführliche Anleitungen auf der Vergabeplattform verweise und an mehreren Stellen den Helpdesk als Ansprechpartner bei technischen Problemen mit Kontaktdaten benenne.
Auch die übrigen Indizien sprächen, so die VK Bund, dagegen, dass auf Seiten der Auftraggeberin ein technisches Problem vorgelegen habe. So habe es weder Störmeldungen anderer Bieter gegeben noch habe die Vergabeplattform selbst Probleme diagnostizieren können.
Das Vertretenmüssen der Antragstellerin könne auch nicht mit dem Argument ausgehebelt werden, dass die Auftraggeberin vorliegend keine elektronische Vergabe hätte durchführen müssen, respektive sogar nicht hätte durchführen dürfen. Die elektronische Vergabe sei der Regelfall im Sinne von § 97 Abs. 5 GWB. Diese gesetzliche Vorschrift gelte auch für Vergaben im Anwendungsbereich der VSVgV. Auch wenn die elektronische Vergabe nicht zwingend gewesen sein möge, so könne dies nicht dazu führen, dass die Auftraggeberin den verspäteten Eingang der Angebote zu vertreten habe.
Auch wenn die Entscheidung der VK Bund zur VSVgV ergangen ist, lässt sie sich vollumfänglich auf Ausschreibungen nach anderen Vergabeordnungen, etwa nach der VgV und der UVgO, übertragen.
Für Bieter folgt daraus insbesondere, dass diese sich im eigenen Interesse frühzeitig mit den technischen Rahmenbedingungen für das Hochladen der Angebote auseinander setzen sollten. Ebenso sollten sie sich rechtzeitig um Updates kümmern, etwaige Hinweise des Auftraggebers und/oder der Vergabeplattform zur Angebotseinreichung studieren und sich bei offenen Fragen rechtzeitig und dokumentiert mit dem technischen Support der jeweiligen Vergabeplattform in Verbindung setzen.
Darüber hinaus ist es ratsam, mit dem Upload-Vorgang nicht erst kurz vor Ablauf der Angebotsfrist zu beginnen, sondern diesen mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf zu starten. Insbesondere sollte der zeitliche Puffer so bemessen werden, dass im Falle konkreter technischer Probleme beim Upload-Vorgang auch noch eine Kontaktaufnahme mit dem Auftraggeber mit der Bitte um Fristverlängerung möglich ist, auch wenn insoweit nicht in jedem Fall ein Anspruch auf Verlängerung bestehen dürfte.
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