OLG Dresden
Nicht selten wird hinsichtlich der wirtschaftlich-finanziellen Leistungsfähigkeit von Bietern im Vergabeverfahren lediglich die Angabe von Umsätzen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren insgesamt und/oder bezogen auf mit den zu vergebenden Leistungen vergleichbare Aufträge abgefragt. Ein Mindestumsatz wird jedoch häufig nicht vorgegeben. Gibt ein Bieter nun im entsprechenden Formblatt „0 Euro“ an, stellt sich die Frage, ob dies für sich genommen oder zumindest in Zusammenschau mit etwaigen anderen Eignungsanforderungen einen Ausschluss vom Verfahren begründen kann. Mit dieser Thematik hat sich aktuell das OLG Dresden in seinem Beschluss vom 05.02.2021 (Verg 4/20) auseinandergesetzt. Die Erwägungen, die es dabei angestellt hat, wollen wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten.
Der Auftraggeber schrieb Bau- sowie Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten im Rahmen einer Baumaßnahme im Wege eines offenen Verfahrens europaweit aus.
In Ziffer III.1.2) „Teilnahmebedingungen; wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ der Auftragsbekanntmachung heißt es wörtlich:
„Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:
Die Eignung ist durch Eintragung in die Liste des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) oder Eigenerklärung gem. Formblatt 124 (Eigenerklärungen zur Eignung) nachzuweisen.
Gelangt das Angebot eines nicht präqualifizierten Bieters in die engere Wahl, sind die im Formblatt 124 angegebenen Bescheinigungen innerhalb der gesetzten angemessenen Frist nach Aufforderung vorzulegen.“
Derselbe Text findet sich unter III.1.3) („Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“).
Mit ihrem Angebot reichte die Bieterin und spätere Antragstellerin auch das Formblatt 124 ein. Darin gab sie unter der Rubrik „Umsatz des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, soweit es Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind“ dreimal „0 Euro“ an.
Der Auftraggeber teilte der Bieterin daraufhin mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, weil begründete Zweifel an ihrer Eignung bestünden, und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Fachkunde und Leistungsfähigkeit als auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit. Der Nachweis eines vergleichbaren Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren sei nicht erbracht worden, da das Unternehmen nach seiner Gewerbeanmeldung erst seit dem 01.08.2019 bestehe bzw. für diese Tätigkeit eingetragen sei.
Auf die Rüge der Bieterin bezüglich des Ausschlusses ihres Angebots teilte der Auftraggeber mit, dass in der Ausschreibung eine mindestens dreijährige Geschäftstätigkeit als Eignungskriterium enthalten gewesen sei, weshalb das Angebot der Bieterin zwingend auszuschließen gewesen sei.
Daraufhin leitete die ausgeschlossene Bieterin ein Nachprüfungsverfahren bei der VK Sachsen ein. Diese stellte mit ihrem Beschluss vom 02.11.2020 (1/SVK/026-20) fest, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, und verpflichtete den Antragsgegner, das Vergabeverfahren in den Stand vor Durchführung der Eignungsprüfung zurückzuversetzen und die Eignungsprüfung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Dagegen wandte sich der Auftraggeber mit der sofortigen Beschwerde zum OLG Dresden.
Entscheidung des OLG Dresden: Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen fehlender Eignung aufgrund der Umsatzangabe „0 Euro“ ist rechtswidrig!
Zunächst gibt das OLG Dresden die im Hinblick auf die Eignungsanforderungen und -nachweise einschlägigen Regelungen wieder. So sähen § 122 Abs. 1 GWB und §§ 2 Abs. 3,16b Abs. 1 VOB/A-EU die Vergabe des Auftrages (nur) an geeignete Unternehmen vor. Im Rahmen von § 122 Abs. 2 GWB könnten dafür Eignungskriterien festgelegt werden, welche in der Ausschreibung aufzuführen seien. Aus den Vergabeunterlagen müsse dabei für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, welche Voraussetzungen sie erfüllen müssten, um den Auftrag erhalten zu können, und welche Erklärungen und Nachweise hierzu von ihnen verlangt würden. Die Vergabestellen treffe die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüche zu vermeiden.
Im vorliegend zu beurteilenden Ausschreibungsverfahren, so das OLG Dresden weiter, habe der Antragsgegner nicht ausdrücklich die Eignungskriterien benannt, sondern vielmehr im Abschnitt III. der Bekanntmachung lediglich bestimmt, dass vom Bieter die Eignung durch Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis oder durch Eigenerklärungen im Formblatt 124 nachzuweisen sei. Eignungskriterien seien danach jedoch vom Antragsgegner nicht ausdrücklich formuliert worden. Vielmehr müsse aus dem Umfang der von den Bietern vorzulegenden Unterlagen und abzugebenden Erklärungen ein Rückschluss auf den Inhalt des Eignungskriteriums gezogen werden.
Die insoweit angezeigte Auslegung der Angebotsunterlagen ergebe jedoch nicht, dass darin ein Eignungskriterium der mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit auf dem von der Ausschreibung betroffenen Tätigkeitsgebiet formuliert worden sei. Der Wortlaut der Abfrage des Umsatzes des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Formblatt 124 (in Verbindung mit dem Verzicht auf die Angabe eines Mindestumsatzes) erlaube den Bietern vielmehr auch die Eintragung der Zahl “0“, so dass hiermit die Festlegung einer Mindestanforderung für die Geschäftstätigkeit nicht verbunden gewesen sei.
Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung ergebe sich die Festlegung des Eignungskriteriums einer mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit auch nicht aus dem Umstand, dass das Formblatt 124 Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bieter gestellt habe. Denn es werde eben nicht nach der Geschäftstätigkeit, sondern nach dem Umsatz gefragt, ohne dass der Bieter daraus eindeutig hätte erkennen können oder gar müssen, dass die Angabe irgendeines einschlägigen Umsatzes, gleich in welcher Höhe, in jedem der letzten drei Geschäftsjahre als zwingende Eignungsvoraussetzung angesehen werde. Außerdem ergebe sich weder aus der Auftragsbekanntmachung noch aus dem Formblatt 124 zweifelsfrei, ob ein im Sinne des Antragsgegners verstandener Eignungsnachweis tatsächlich als Beleg der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit oder aber der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit einzuordnen wäre. In Abschnitt III der Auftragsbekanntmachung werde sowohl für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit als auch für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit in gleicher Weise auf entweder die Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis oder auf die Eigenerklärung gemäß Formblatt 124 Bezug genommen.
Die Antragstellerin habe daher eine Eignungsanforderung betreffend eine einschlägige Geschäftstätigkeit von zumindest drei Jahren in das vom Antragsgegner verwendete Formblatt 124 nicht von sich aus „hineinlesen“ müssen.
Die Entscheidung des OLG Dresden führt deutlich vor Augen, dass ein Ausschluss eines Angebotes aufgrund der Angabe eines Umsatzes von „0 Euro“ jedenfalls nicht ohne weiteres möglich ist, es sei denn, dass eine mindestens dreijährige Geschäftstätigkeit oder ein bestimmter Mindestumsatz pro Jahr ausdrücklich verlangt worden ist.
Ohne Festlegung eines Mindestumsatzes kann dagegen die Eintragung von „0 EUR“ bei einer abgefragten Umsatzangabe allenfalls dann zum Ausschluss führen, wenn sich der Bieter in einer Gesamtschau seiner Eignungsbelege als nicht hinreichend leistungsfähig erweist. Auftraggeber haben in solchen Fällen jedoch ausreichend zu dokumentieren, dass sie die ihnen insoweit zustehenden Ermessens- und Beurteilungsspielräume ordnungsgemäß ausgeübt haben. Hier besteht auf jeden Fall erhöhtes Konfliktpotential. Daher sollten Auftraggeber bei der Festlegung der Eignungskriterien im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung sorgsam abwägen, ob sie nicht doch ausdrücklich einen Mindestumsatz fordern oder besser gleich auf andere Kriterien abstellen, um die wirtschaftlich-finanzielle Leistungsfähigkeit des Bieters abzusichern.
Zu einem wichtigen Aspekt hat das OLG Dresden im Übrigen keine entscheidenden Worte verloren, obwohl hier die Streitigkeit letztlich ihren Ausgangspunkt nahm: Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB müssen die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt werden. Hierzu genügt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nicht der Verweis auf ein (nicht verlinktes) Formblatt aus den Vergabeunterlagen oder einem Vergabehandbuch, sondern das Kriterium selbst ist anzugeben. An dieser Stelle kann und muss der Auftraggeber dann auch die wichtige Entscheidung treffen, welcher Kategorie ein bestimmtes Eignungskriterium zuzuordnen ist. Die saubere Erstellung der Auftragsbekanntmachung ist also (nicht nur insoweit) ein entscheidender Faktor für ein rechtssicheres Vergabeverfahren.
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