Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 4. Juli 2017 – Z3-3-3194-1-17-04/17
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber („Ag“) beabsichtigt die Vergabe „der qualifizierten Aufbereitung von Flachwäsche, Babyartikeln, Dienst- und Bereichsbekleidung im Mietwäscheverfahren sowie der qualifizierten Aufbereitung der hauseigenen SpeziaIartikel im Lohnwäscheverfahren“ als Rahmenvereinbarung für die Laufzeit von 60 Monaten.
Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 4. Juli 2017 – Z3-3-3194-1-17-04/17
Ein öffentlicher Auftraggeber („Ag“) beabsichtigt die Vergabe „der qualifizierten Aufbereitung von Flachwäsche, Babyartikeln, Dienst- und Bereichsbekleidung im Mietwäscheverfahren sowie der qualifizierten Aufbereitung der hauseigenen SpeziaIartikel im Lohnwäscheverfahren“ als Rahmenvereinbarung für die Laufzeit von 60 Monaten. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgt im Rahmen einer EU-weiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften im Wege eines offenen Verfahrens.
In der Bekanntmachung wird mittgeteilt, dass „das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Zuschlagskriterien
ermittelt“ werden soll. Bezüglich des Zuschlagskriteriums „Bemusterung und Qualitätsbeurteilung“ ergibt sich aus den Vergabeunterlagen, dass der Ag verschiedene Unterkriterien (z.B. Optik allgemein, Maßigkeit, Schnitt, Faltsystematik) gebildet hat und die Bewertung mithilfe einer Skala von 1 (schlecht) bis 5 (sehr gut) durch eine Fachgruppe des Auftraggebers erfolgen soll.
Die spätere Antragstellerin („ASt“) gibt ein Angebot ab.
Nach der Angebotsprüfung und -wertung teilt der Ag der ASt in einem „Absageschreiben“ mit, dass er beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der späteren Beigeladenen zu erteilen. Die Gründe für die vorgesehene Nichtberücksichtigung des Angebots der ASt und den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses teilt der Ag (zunächst) nicht mit.
Nach Erhalt des „Absageschreibens“ rügt die ASt unter anderem eine nicht vergaberechtskonforme Angebotswertung. Der Ag, der in der Zwischenzeit bereits den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt hat, weist die Rügen zurück. Zur Begründung verweist er unter anderem auf eine bereits eingetretene Rügepräklusion.
Die ASt reicht daraufhin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein.
Die ASt hat mit ihrem Nachprüfungsantrag Erfolg. Die Vergabekammer stellt fest, dass der erfolgte Zuschlag an die Beigeladene unwirksam ist. Zudem setzt sie das Vergabeverfahren in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurück. Die Vergabekammer hält den Nachprüfungsantrag wegen einer unzureichenden Dokumentation der Wertung des Kriteriums „Bemusterung und Qualitätsbeurteilung“ sowie aufgrund weiterer schwerwiegender Vergabeverstöße, die die ASt in ihren Rechten verletzen und eine vergaberechtskonforme Neuwertung unmöglich machen, für begründet.
Bezüglich der unzureichenden Dokumentation führt die Vergabekammer aus, dass gemäß § 8 VgV auch die Gründe für die Auswahl eines Bieters festzuhalten seien. Um die erforderliche Transparenz des Vergabeverfahrens zu wahren, seien die Wertungsentscheidungen so zu dokumentieren, dass die Entschlussfassung bzw. Bewertung inhaltlich nachvollziehbar sind (mit Verweis auf OLG München, Beschluss vom 22. Januar 2016 – Verg 13/15; BGH, Beschluss vom 4. April 2017 – X ZB 3/17). Diesen Anforderungen genüge die Bewertung des Ag nicht. Es fehlt beispielsweise – so die Vergabekammer – jegliche Dokumentation dazu, welche Bewertung welches Wäschestück jeweils von den jeweiligen Bewertern erhalten hat.
Darüber hinaus stellt die Vergabekammer weitere Vergaberechtsverstöße fest, die teilweise gar nicht von der ASt gerügt worden waren. Beispielsweise konnten die vergabegegenständlichen Wäschestücke gar nicht allesamt anhand der aufgestellten Unterkriterien bewertet werden. Hierbei verweist die Vergabekammer unter anderem auf das Unterkriterium „Faltsystematik“. Die „Faltsystematik“ eines Kinderschlüpfers könne nicht sinnvoll bewertet werden.
Bezüglich der fehlenden Rüge führt die Vergabekammer Folgendes aus: Die Vergabekammer hat die Pflicht, für die Rechtmäßigkeit des Ausschreibungsverfahrens zu sorgen. Sie erforscht den Sachverhalt von Amts wegen, § 163 GWB. Hierbei wird es für zulässig erachtet, dass bei besonders schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen auch ohne eine ausdrückliche Rüge der Fehler beachtet werden darf (mit Verweis auf OLG München, Beschluss vom 22. Januar 2016 – Verg 13/15; Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 110 GWB Rz. 7; Diemon-Wies, in: PK Kartellvergaberecht, § 110 GWB Rz. 30). Das Aufgreifen der teilweise präkludierten Vergaberechtsverstöße von Amts wegen war vorliegend möglich und geboten, da Fehler vorliegen, die es unmöglich machen, das Vergabeverfahren fortzusetzen, weil eine vergaberechtskonforme Wertung der vorliegenden Angebote und ein entsprechender Zuschlag auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung nicht möglich ist (mit Verweis auf VK Südbayern, Beschluss vom 8. August 2014 – Z3-3-3194-1-31-06/14; OLG Celle, Beschluss vom 17. November 2011 – 13 Verg 6/11).
Die Entscheidung der Vergabekammer überzeugt.
Bezüglich der Dokumentationsanforderungen folgt die Vergabekammer konsequent der Rechtsprechung des BGH. In dem oben zitierten Beschluss vom 4. April 2017 hat der BGH nochmals hervorgehoben, dass die Angebotswertung durch den Auftraggeber eingehend dokumentiert werden muss. Auftraggebern ist deshalb anzuraten, weiterhin großen Wert auf eine ordnungsgemäße Dokumentation der Angebotswertung zu legen.
Darüber hinaus ist es begrüßenswert, dass die Vergabekammer entsprechend § 163 Abs. 1 S. 1 GWB den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt hat und dabei nicht die Augen vor schwerwiegenden Vergaberechtsverstößen, die nicht gerügt worden waren, verschlossen hat. Bieter sollten hieraus allerdings keinesfalls die Schlussfolgerung ziehen, dass sie Vergabeverstöße nicht rügen müssen, da eine später angerufene Vergabekammer diese Vergabeverstöße ohnehin von Amts wegen berücksichtigt. Bietern ist stattdessen dringend anzuraten, festgestellte Vergaberechtsverstöße rechtzeitig selber zu rügen. Ansonsten droht ihnen die Gefahr, dass ihr Nachprüfungsantrag unter Verweis auf § 160 Abs. 3 S. 1 GWB für unzulässig erklärt wird.
Relevante Seminare
Wir verwenden Cookies, um die Benutzerfreundlichkeit unserer Website zu verbessern und sicherzustellen, dass Sie die bestmögliche Erfahrung auf unserer Website machen. Erfahren Sie mehr.