Das oberschwellige Vergaberecht wird maßgeblich von der Rechtsprechung geprägt. Dies war auch im Jahr 2019 zu beobachten. Aus diesem Grund wollen wir in diesem Newsletter auf drei Entscheidungen aus dem vergangenen Jahr mit hoher Relevanz hinweisen.
Das OLG München hat in der vorbezeichneten Entscheidung herausgearbeitet, dass es für eine wirksame Aufstellung von Eignungskriterien nicht ausreichend ist, wenn der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung pauschal auf die Vergabeunterlagen verweist. Der Wortlaut von § 122 Abs. 4 S. 2 GWB ist unmissverständlich. Dort heißt es: „Sie [die Eignungskriterien] sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen.“ Sofern also ein Auftraggeber die Eignungskriterien weder in einer (freiwilligen) Vorinformation noch in einer Aufforderung zur Interessensbestätigung benennt, so hat er sie in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Ein bloßer Verweis auf die Vergabeunterlagen ist nicht ausreichend.
Die Auswirkungen eines solchen pauschalen Verweises sind gravierend. Die lediglich in den Vergabeunterlagen benannten Eignungskriterien sind nicht wirksam aufgestellt worden. Dementsprechend kann ein Auftraggeber einen Bieter, der die dort benannten Eignungskriterien nicht erfüllt und damit nach Auffassung des Auftraggebers ungeeignet ist, nicht wirksam ausschließen.
Der Beschluss des OLG München ist im Übrigen auch deshalb lesenswert, da sich das Gericht ferner mit der Frage befasst hat, inwiefern es zulässig ist, wenn sich die Bieter mittels eines sogenannten Deep-Links in der Auftragsbekanntmachung über die Eignungskriterien informieren können (siehe hierzu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – Az. Verg 24/18).
Bei einem Vergabeverfahren bezüglich einer Rahmenvereinbarung rügte ein Bieter, dass der Auftraggeber keine Höchstgrenze als maximale Abrufmenge benannt hatte. Die im Anschluss angerufene Vergabekammer des Bundes verneinte im Ergebnis die Pflicht zur Benennung einer solchen Höchstgrenze mit Verweis auf § 21 Abs. 1 S. 2 VgV. Nach dieser Norm ist das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden. Eine entsprechende Regelung findet sich für Bauvergaben in § 4a EU Abs. 1 S. 2 VOB/A.
Die von der Literatur weitestgehend unbeachtet gebliebene Entscheidung ist insbesondere deshalb spannend, da sie auf den ersten Blick im Widerspruch zu einer EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2018 steht (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 – Rs. C-216/17 „Antitrust und Coopservice“). Der EuGH hatte damals eine Pflicht zur Benennung einer Höchstgrenze bejaht. Die Vergabekammer hat in ihrem Beschluss jedoch eingehend herausgearbeitet, dass die EuGH-Entscheidung noch auf Grundlage der Richtlinie 2004/18/EG erging. Diese Richtlinie ist in der Zwischenzeit durch die Richtlinie 2014/24/EU ersetzt worden. Maßgeblich für das Vergabeverfahren, über das die Vergabekammer zu entscheiden hatte, war das reformierte Vergaberecht. Da im Zuge der Vergaberechtsreform auch die Regelungen zu den Rahmenvereinbarungen angepasst wurden, war nach Auffassung der Vergabekammer die EuGH-Entscheidung nicht auf das derzeit geltende Recht zu übertragen.
In dieser vielbeachteten Entscheidung kam der BGH zu dem Ergebnis, dass eine auftraggeberseitige Abwehrklausel in den Vergabeunterlagen, wonach Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen eines Bieters nicht Vertragsbestandteil werden, einem Ausschluss von Angeboten mit abweichenden Vertragsbedingungen grundsätzlich entgegensteht. Nach Auffassung des BGH wäre selbst ohne eine solche Abwehrklausel im vorliegenden Fall kein Ausschlussgrund gegeben gewesen. Denn in einem vom Auftraggeber vorformulierten Angebotsanschreiben hatten die Bieter zu erklären, dass sie keine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Bestandteil des Angebots machen. Aufgrund dieser Erklärung hätte bezüglich der dennoch eingereichten Vertragsbedingungen eine Aufklärung erfolgen müssen.
Die Entscheidung macht deutlich, dass Auftraggeber im Sinne eines größtmöglichen Wettbewerbs grundsätzlich eine Angebotsaufklärung vorzunehmen haben, bevor sie ein Angebot ausschließen. Dies ist grundsätzlich zu befürworten. Für Auftraggeber kann dies jedoch in Einzelfällen zu komplizierten Abwägungen führen. Sie müssen im Rahmen der Angebotsprüfung und -wertung teilweise entscheiden, ob sie bei einzelnen Angeboten (noch) eine Aufklärung vornehmen müssen bzw. dürfen oder ob ein zwingender Ausschlussgrund gegeben ist. Bei einer falschen Entscheidung droht einem Auftraggeber nicht nur ein Vergabenachprüfungsverfahren, sondern auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Seminarliste Vergaberecht
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