(OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020 – 13 Verg 5/19)
Sachverhalt:
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Bauleistungen über die Deckensanierung zwischen verschiedenen Anschlussstellen europaweit unter Bildung von fünf Losen aus. Die Ausschreibung erfolgte unter Einbeziehung der HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau. Diese Teilnahmebedingungen sahen einen grundsätzlichen Ausschluss von Hauptangeboten mit negativen Einheitspreisen vor. Nur wenn sich aus der Leistungsbeschreibung bezüglich einzelner Positionen etwas Abweichendes ergab, durften bezüglich dieser Positionen negative Einheitspreise angeboten werden.
Neben den HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen stellte der Auftraggeber den Interessenten auf dem Vergabeportal unter anderem auch ein PDF-Langtext-Leistungsverzeichnis und eine GAEB D83-Austauschdatei (im Folgenden: D-Datei) zur Verfügung. Dabei wurde vom Auftraggeber klargestellt, dass bei etwaigen Widersprüchen das Langtext-Leistungsverzeichnis maßgeblich ist.
Die spätere Antragstellerin reichte ein Angebot ein. Nach Ablauf der Angebotsfrist teilte der Auftraggeber der Antragstellerin jedoch mit, dass ihr Angebot nicht zugelassene negative Einheitspreise enthalte und deshalb von der weiteren Wertung auszuschließen sei.
Daraufhin rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren unter anderem mit der Begründung, dass die vorgenannten Vorgaben bezüglich negativer Einheitspreise nicht in der für die Kalkulation verwendeten D-Datei erkennbar gewesen seien. Die Vergabeunterlagen seien insoweit unklar bzw. widersprüchlich. Ferner rügte die Antragstellerin, dass ein Verbot negativer Einheitspreise generell unzulässig sei.
Nach der Zurückweisung der Rügen kam es zu einem Nachprüfungsverfahren über zwei Instanzen. Die Vergabekammer hielt den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für zulässig und begründet. Hiergegen legte der Auftraggeber sofortige Beschwerde beim OLG Celle ein.
Im Übrigen stellte sich noch während des Nachprüfungsverfahrens heraus, dass die Antragstellerin bereits mit einem anderen öffentlichen Auftraggeber einen Rechtsstreit wegen eines Angebotsausschlusses von negativen Einheitspreisen führt.
Rechtliche Würdigung:
Der Antragsgegner hat mit seiner sofortigen Beschwerde Erfolg. Das OLG Celle hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig.
Soweit die Antragstellerin sich gegen das generelle Verbot negativer Einheitspreise wendet, ist sie mit dieser Rüge nach Auffassung des Gerichts nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Unter welchen Bedingungen Angebote nicht berücksichtigt werden könnten, sei bei Bauaufträgen zwar in der VOB/A abschließend geregelt. Es sei dem öffentlichen Auftraggeber deshalb versagt, weitere Ausschlussgründe etwa durch das Verbot negativer Einheitspreise zu schaffen (siehe hierzu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010 – VII-Verg 33/10). Die Antragstellerin könne diesen Verstoß jedoch nicht zulässigerweise im Nachprüfungsverfahren verfolgen, weil sie insoweit gegen ihre Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB verstoßen habe. So habe sie beispielsweise aufgrund des vorgenannten Rechtsstreits mit einem anderen öffentlichen Auftraggeber ihre Kenntnis von der Unzulässigkeit eines generellen Verbots von negativen Einheitspreisen dokumentiert.
Soweit sich die Antragstellerin gegen eine vermeintliche Unklarheit bzw. Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen wendet, die dazu geführt habe, dass sie die Ausnahme vom Verbot negativer Einheitspreise als zu weitreichend verstanden und auf sämtliche Asphaltfräsarbeiten bezogen habe, ist die Antragstellerin nach Auffassung des Gerichts gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB lasse bei nicht rechtzeitiger Rüge das Nachprüfungsrecht für solche Verstöße gegen Vergabevorschriften entfallen, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar seien. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist hiernach der Inhalt der Vergabeunterlagen. Was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt bereits auf dieser Grundlage als vergaberechtswidrig erschließt, begründe die Rügeobliegenheit (siehe hierzu auch BGH, Beschluss vom 26.09.2006 – X ZB 14/06). Bei sorgfältiger Prüfung der Vergabeunterlagen wäre vorliegend der später vorgebrachte Vergabeverstoß erkennbar gewesen.
Rechtliche Würdigung und Praxistipp:
Die Entscheidung des OLG Celle zeigt wieder einmal deutlich, dass ein Bieter zur Wahrung seiner Rechte grundsätzlich frühzeitig handeln muss. Obgleich der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin voraussichtlich vergaberechtswidrig war, unterlag die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag. Es fehlte an den rechtzeitigen Rügen. Bietern ist deshalb eine frühzeitige Prüfung der Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen ans Herz zu legen, sodass etwaige Vergabeverstöße tatsächlich rechtzeitig gerügt werden können.
Auftraggebern ist hingegen eine sorgfältige Vorbereitung der Vergabeunterlagen anzuraten, sodass es gar nicht erst zu Rügen kommt.
Sollte gleichwohl einmal eine Rüge beim Auftraggeber eingehen, ist diese ergebnisoffen zu prüfen, sodass etwaige Vergabeverstöße tatsächlich beseitigt werden können. Ferner sollte ein Auftraggeber beachten, zu welchen Konsequenzen seine Reaktion auf eine eingegangene Rüge führen kann. Beispielsweise führt eine verspätete Rüge – wie im vorliegenden Fall – dazu, dass bei einer Rügezurückweisung der Bieter mit einem späteren Nachprüfungsantrag unterliegt. Gleichwohl ist ein möglicher Schadensersatzanspruch damit noch nicht vom Tisch. Dies sollte ein Auftraggeber im Auge behalten.
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