VK Bund, Beschluss vom 13. Juni 2019 – Az. VK 2-26/19
Der Auftraggeber (Ag) schrieb eine Beschaffung im Bereich des „Machine bzw. Deep Learning“ europaweit aus. Konkret betraf der Beschaffungsgegenstand das Datenmanagement und die Analyse und die Verarbeitung von großen und heterogenen Datenmengen. Der Ag forderte u.a. eine Mindest-Rechenleistung einzelner CPU von 1,4 TFLOP/s und x86_64-basierte Prozessoren. Hinsichtlich der Leistung hatten die Bieter Kennzahlen verbindlich anzugeben und zu garantieren.
Der Ag behielt sich bei Zweifeln an den Angaben die Durchführung von Tests vor.
Zudem forderte der Ag von den Bietern eine Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung. Die Bieter hatten diesbezüglich eine Eigenerklärung und einen Nachweis des jeweiligen Versicherers vorzulegen.
Die Antragstellerin (ASt) rügte verschiedene Punkte und reichte schließlich einen Nachprüfungsantrag an. Der Vorbehalt eines Testdurchlaufs der Prozessoren sei intransparent und einseitig zu Lasten der ASt, da sie sich den erheblichen Personal- und Kostenaufwand kaum leisten könne. Die Vorgabe von x86_64-basierten Prozessoren sei zudem eine unzulässige (verdeckte) Produktvorgabe, da diese nur von der Firma Intel angeboten würden. Ferner seien Eigenerklärungen gemäß § 48 Abs. 2 VgV vorrangig und die Forderung eines Versicherungsnachweises diskriminierend, da solche im Land des Sitzes der ASt nicht ausgestellt würden.
Der Nachprüfungsantrag wurde als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.
Nach Ansicht der Vergabekammer war die Vorgabe der Mindestleistung der CPU vom Leistungsbestimmungsrecht des Ag gedeckt. Dessen Grenzen seien eingehalten, sofern die Entscheidung für den Beschaffungsgegenstand auf nachvollziehbaren, objektiven und auftragsbezogenen Gründen basiere, frei von Willkür gehandelt werde, die Gründe tatsächlich vorlägen und andere Wirtschafsteilnehmer nicht diskriminiert würden. Im vorliegenden Fall solle die bereits vorhandene Software weiterbetrieben werden, die CPU sei für einzelne Studien und wissenschaftliche Zwecke wichtig und die Rechenleistung der CPU für Forschungsstudien maßgeblich. Da die Berechnungen auf einzelnen CPU durchgeführt werden sollen, sei deren Rechengeschwindigkeit entscheidend. Der Beschaffungsgegenstand solle zudem ins bestehende System integriert werden, weshalb keine willkürliche Entscheidung zugunsten von Intel-Prozessoren getroffen wurde. Die ASt sei ferner selbst in der Lage, Intel-Produkte zu beschaffen, sodass keine Diskriminierung vorliege. Die voranstehenden Gründe gälten sinngemäß auch für die Entscheidung für x86_64-basierte Prozessoren.
Gerechtfertigt sei außerdem die Forderung eines Testdurchlaufs bei berechtigen Zweifeln an den angegebenen Werten. Er sei hinreichend konkret dargelegt, unter welchen Aspekten ein solcher Test in Betracht käme. Dies sei nur bei sachlichen Anhaltspunkten statthaft und so eine einseitige Belastung des ASt ausgeschlossen.
Auch die Forderung eines Versicherungsnachweises sei rechtmäßig. § 45 Abs. 4 Nr. 2 VgV stelle klar, dass der Ag „in der Regel“ den Nachweis einer Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung verlangen könne. Die vorstehende Norm stelle zudem eine Spezialregelung für Versicherungsnachweise dar, sodass § 48 Abs. 2 VgV keine maßgebliche Regelungswirkung habe. Überdies gestatte selbst § 48 Abs. 2 VgV den Auftraggebern bei einem begründeten Anlass, statt einer Eigenerklärung von den Bietern Bescheinigungen und sonstige Nachweise zu fordern. Das Vorgehen des Ag sei deshalb im vorliegenden Fall in jedem Fall rechtmäßig.
Die Entscheidung ist gleich unter mehreren Gesichtspunkten spannend.
So arbeitet die Vergabekammer unter anderem das Verhältnis von § 45 Abs. 4 Nr. 2 VgV zu § 48 Abs. 2 VgV heraus und kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, dass Auftraggeber aufgrund der „lex specialis“ in § 45 Abs. 4 Nr. 2 VgV „in der Regel“ einen Nachweis einer entsprechenden Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung verlangen dürfen und sich diesbezüglich nicht mit einer Eigenerklärung begnügen müssen.
Darüber hinaus betont die Vergabekammer das weitreichende Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers. So gestattete der Spruchkörper unter anderem sehr konkrete Vorgaben bezüglich der geforderten Prozessoren. Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass das Vergaberecht nicht regelt, was zu beschaffen ist, sondern „lediglich“ wie etwas zu beschaffen ist.
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