OLG Karlsruhe
Wettbewerbe sind nach § 103 Abs. 6 GWB Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen. Gemäß § 155 GWB unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammer. Daher stellt sich die Frage, ob für den Fall, dass in einem Realisierungswettbewerb der Planungswettbewerb dem Verhandlungsverfahren vorgelagert ist, bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs ein Nachprüfungsverfahren möglich ist. Zu dieser Fragestellung hat sich nunmehr das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 10.08.2021 (15 Verg 10/21, abrufbar unter folgendem Link) verhalten.
Die Auftraggeberin schrieb europaweit Dienstleistungen für den Neubau einer Kindertageseinrichtung als nicht offenen Realisierungswettbewerb für Architekten aus. Neben vier gesetzten Architekturbüros konnten sich Teilnehmer qualifizieren, die aufgrund der in der Bekanntmachung vorgegebenen Auswahlkriterien ein bestimmtes Referenzprojekt benannten oder mindestens 60 Punkte erreichten. Sofern sich mehr als elf Bewerber qualifizieren sollten, war eine Entscheidung im Losverfahren vorgesehen. Ein Preisgeld wurde in Höhe von 25.000,00 Euro ausgelobt, wobei das Preisgeld auf ein etwaiges späteres Honorar angerechnet werden sollte. Die Auftraggeberin legte fest, dass sie einen der Preisträger, in der Regel den Gewinner, mit der Durchführung der Planungsleistungen (Leistungsphasen 1 bis 5) beauftragen werde.
Die spätere Antragstellerin beteiligte sich am Wettbewerb. Sie rügte die in der Bekanntmachung veröffentlichten Teilnahmebedingungen, insbesondere, dass vier Bewerber gesetzt worden seien, deren Eignung nicht nachgewiesen und deren Überprüfung durch die Antragsgegnerin nicht erfolgt sei. Die Antragstellerin wurde zum Wettbewerb zugelassen, obwohl sie die Mindestanforderung nicht erfüllte, schied aber aus, weil das Los nicht auf sie fiel. Ihre fehlerhafte Berücksichtigung rügte sie ebenfalls.
Die Antragstellerin reichte einen Nachprüfungsantrag bei der VK Baden-Württemberg ein. Diese wies den Antrag durch Beschluss vom 05.07.2021 mangels eines Schadens als unzulässig zurück, soweit die Antragstellerin ihre fehlerhafte Berücksichtigung rügte. Im Übrigen wies sie den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Mit der sofortigen Beschwerde zum OLG Karlsruhe verfolgte die Antragstellerin ihr Ziel, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen, weiter.
Entscheidung des OLG Karlsruhe: Der Realisierungswettbewerb nach § 103 Abs. 6 GWB unterliegt der Nachprüfung nach § 155 GWB! Allerdings ist der Nachprüfungsantrag teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet!
Aus § 103 Abs. 6 GWB ergebe sich, dass Wettbewerbe keine Vergabeverfahren, sondern Auslobungsverfahren seien, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollten. Dem Wortlaut des § 155 GWB nach unterlägen jedoch nur öffentliche Aufträge (§ 103 Abs. 1 GWB) und Konzessionen (§ 105 GWB) der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Auch Art. 1 der Richtlinie 2007/66/EG definiere als „Aufträge“ im Sinne der Richtlinie nur öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Konzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.
Ungeachtet dessen gebiete es aber eine richtlinienkonforme Auslegung, jedenfalls für den hier vorliegenden Realisierungswettbewerb, bei dem der Planungswettbewerb dem Verhandlungsverfahren vorgelagert sei (§ 78 Abs. 2 Satz 2 VgV), bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs eine Nachprüfung zu ermöglichen. Dafür, dass auch der Wettbewerb der Nachprüfung unterliegen solle, spreche zunächst der Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2007/66/EG, der ausdrücklich auch Wettbewerbe aufführe. Zudem sei der Begriff des Vergabeverfahrens im Sinne von § 155 GWB materiell zu interpretieren, wie sich insbesondere auch aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe (vgl. EuGH, Urteil vom 11.01.2005, C-26/03 – Stadt Halle). Der EuGH führe in der genannten Entscheidung aus, dass nicht nur Beschaffungsmaßnahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens im Sinne § 101 GWB a. F. (nunmehr § 119 GWB), sondern jedes materielle Beschaffungsverfahren des öffentlichen Auftraggebers, auch außerhalb des förmlichen Vergabeverfahrens, der Nachprüfung unterliege. Hinzu trete die in Art. 1 Abs. 1 UAbs. 3 der Richtlinie 2007/66/EG enthaltene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine wirksame und rasche Nachprüfung von Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber sicherzustellen. Demgemäß sei auch unter Geltung der (bereits vor einigen Jahren außer Kraft getretenen) VOF ein Vergaberechtsschutz für Planungswettbewerbe allgemein angenommen worden. Hierfür spreche zudem, dass § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb im Anschluss an die Durchführung eines Planungswettbewerbs im Sinne von § 69 Abs. 1 ff. VgV zulasse und in Fällen, in denen – wie hier – der Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden solle, § 70 Abs. 2 VgV bestimme, dass die zum Nachweis der Eignung erforderlichen Unterlagen bereits in der Wettbewerbsbekanntmachung anzugeben seien. Hiermit werde schließlich der Teilnahmewettbewerb auf den Planungswettbewerb vorverlagert. Würde man den Rechtsschutz im Stadium des Planungswettbewerbs versagen und den Gewinner bzw. die Preisträger des Wettbewerbs auf den Rechtsschutz im Verhandlungsverfahren verweisen, stünde dies folglich nicht mit dem im Erwägungsgrund 3 und in Art. 1 Abs. 1 UAbs. 3 der Richtlinie 2007/66/EG formulierten Ziel einer möglichst raschen Überprüfung der Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers in Einklang.
Auch wenn der Nachprüfungsantrag statthaft sei, so das OLG Karlsruhe weiter, sei die zulässige sofortige Beschwerde im Ergebnis aber unbegründet. Denn der Nachprüfungsantrag sei im Hinblick auf die Rüge der fehlerhaften Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin bereits mangels Schadens unzulässig. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet.
Das OLG Karlsruhe hat in seiner Entscheidung mustergültig und dogmatisch überzeugend herausgearbeitet, dass in einem dem Verhandlungsverfahren vorgelagerten Planungswettbewerb bereits ein Nachprüfungsverfahren möglich ist. Dies bedingt allerdings zugleich, dass interessierte Unternehmen bereits im Rahmen des Planungswettbewerbs etwaige Vergabeverstöße (rechtzeitig und substantiiert) rügen und im Falle der Nichtabhilfe fristgemäß im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer einlegen müssen. Denn im anschließenden Verhandlungsverfahren sind sie sonst mit einer Rüge bzw. Nachprüfung ggf. bereits präkludiert.
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