OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 – Verg 10/18
Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) schreibt europaweit einen Auftrag zur Verbesserung der Sicherheit einer Justizvollzugsanstalt (JVA) aus und gliedert die sicherheitstechnischen Maßnahmen in vier Teilaufgaben auf, welche die Anstaltsmauer (A), den Sicherheitszaun (B), die Videoüberwachungsanlage (C) und die Umrüstung von Außenabschluss- und Innentüren (D) betreffen. Laut Bekanntmachung ist eine Aufteilung in Lose nicht vorgesehen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin. Interesse bekundet sie insbesondere an den Teilaufgaben C und D. Andere Teilaufgaben können von ihr jedoch nicht selbst erbracht werden. Nachdem ihren Rügen durch den AG nicht abgeholfen wurde, macht sie im gestellten Nachprüfungsantrag geltend, dass die Gesamtvergabe sie in ihrem Recht aus § 97 Abs. 6 S. 2 GWB verletze und schon die Aufteilung in Teilaufgaben zeige, dass eine Losaufteilung möglich sei. Die Vergabekammer Südbayern gab den Einwänden der Antragstellerin mit Beschluss vom 1. Oktober 2018 statt. Dagegen wendet sich der AG und beantragt, den Beschluss aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Mit Erfolg. Die beabsichtigte Gesamtvergabe des Auftrags zur Verbesserung der Sicherheit der JVA in vier Teilaufgaben verstößt nach Ansicht des Gerichts nicht gegen das Gebot der losweisen Vergabe nach § 97 Abs. 4 S. 2 GWB. Der AG hatte geltend gemacht, dass sich die Gesamtvergabe aus dem Leistungsbestimmungsrecht ergebe. Es sei die Beschaffung von systemisch miteinander verzahnten einzelnen Elementen für ein komplexes Sicherheitssystem beabsichtigt, an das strengste Verfügbarkeitsanforderungen zu stellen seien, wobei eine anlagenspezifische, kleinteiligere Ausschreibung als projektgefährdend angesehen werde, da sicherheitsrelevante Schnittstellenprobleme insbesondere bei der Sicherung einer JVA vermieden werden müssten. Das OLG hilft dem Antrag des AG ab und billigt ihm einen Beurteilungsspielraum bei der Frage zu, ob technische oder wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB vorliegen und diese dazu führen, dass von einer losweisen Vergabe abgesehen werden kann. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der vorbezeichneten Norm. Erforderlich sei eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange für und gegen eine Losaufteilung. Dies umfasse auch eine Einschätzungsprärogative des AG hinsichtlich konkreter projektbezogener Risikopotentiale, deren Maßstab bei der rechtlichen Kontrolle beschränkt sei. Die Entscheidung für eine Gesamtvergabe war demnach nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung bzw. Willkür beruhte. Der AG habe konkret und projektbezogen dargelegt, dass für Einzelarbeiten an der Sicherheitsanlage keine Fachlose gebildet werden können, ohne die Funktionsweise der Gesamtleistung zu gefährden. Die Losaufteilung sei ausreichend dokumentiert, tiefgehend nach sachverständiger Beratung geprüft und wegen damit verbundener Risiken abgelehnt worden. Die Rüge der Antragstellerin, der AG habe in den Vergabeunterlagen nicht ausreichend dokumentiert und dargestellt, weshalb einer Gesamtvergabe notwendig sei, greife nicht, da verbleibende Dokumentationsmängel heilbar seien. Die Systemsicherheit sei ein nachvollziehbarer technischer Grund im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB, der zum Verzicht auf die losweise Vergabe berechtige. Das OLG hob den Beschluss der VK Südbayern auf und wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück.
Das OLG München bestärkt das Leistungsbestimmungsrecht des AG und bestätigt insoweit bereits ergangene Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Das Losbildungsgebot kann aufgrund des Leistungsbestimmungsrechts des AG im Einzelfall durchbrochen werden. Die Anforderungen hieran sind jedoch streng. Grundsätzlich ist dem Auftraggeber bei komplexen Beurteilungen ein entsprechender Spielraum zuzusprechen, der die Einschätzung projektbezogener Risikopotentiale erfasst.
Wer eine Gesamtvergabe beabsichtigt, sollte die vom OLG aufgeführten Kriterien ernst nehmen und konkrete, projektbezogene Erwägungen anstellen, die auf einer umfassenden Sachverhaltsermittlung beruhen müssen. Darüber hinaus sind die angestellten Erwägungen eingehend zu dokumentieren.
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