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VK Nordbayern, Beschluss vom 20. Juli 2016 – Az. 21.VK-3194-12/16
Sachverhalt
Ein öffentlicher Auftraggeber („Ag“) schreibt die Sammlung und Verwertung von Siedlungsabfällen in einem offenen Verfahren (europaweit) aus. Bezüglich der technischen Leistungsfähigkeit fordert der Ag die Angabe von mindestens zwei vergleichbaren Referenzprojekten.
Die spätere Antragstellerin („Ast“) und die spätere Beigeladene („Bgl“) geben jeweils ein Angebot ab. Der Ag prüft und wertet die Angebote. Zur Überprüfung der Referenzen kontaktiert der Ag die Auftraggeber der angegebenen Referenzprojekte. Hierbei stellt der Ag bezüglich der von der Bgl genannten Referenzen fest, dass mehr als die geforderten zwei Referenzen mit dem zu vergebenden Auftrag vergleichbar sind. Dies dokumentiert der Ag in seiner Vergabeakte.
Nach Abschluss der Angebotsprüfung und -wertung liegt die Bgl auf dem ersten Rang. Daraufhin informiert der Ag die Ast gemäß § 101a GWB (seit dem 18. April 2016 in § 134 GWB geregelt) darüber, dass er beabsichtigt, das Angebot der Bgl zu bezuschlagen. Die Ast rügt daraufhin unter anderem, dass die Bgl nicht über die geforderten Referenzen verfüge und eine bloße Überprüfung von Referenzen per Telefon nicht belastbar sei. Der Ag hilft der Rüge nicht ab, woraufhin die Ast einen Nachprüfungsantrag einreicht.
Entscheidung
Ohne Erfolg. Die Vergabekammer weist den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Nach Einschätzung der Vergabekammer ist die Eignungsprüfung im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Ag erfolgt. Der Ag habe alle Referenzgeber „abtelefoniert“ und diese Telefonate dokumentiert. Bei den telefonischen Erkundigungen habe sich herausgestellt, dass vier der fünf von der Bgl angegeben Referenzen den Anforderungen der Vergabeunterlagen entsprächen. Da die Referenzauftraggeber die eingereichten Referenzen positiv bestätigt hatten, habe der Ag auch keinen Grund gehabt, weitere Nachforschungen anzustellen.
Rechtliche Würdigung und Praxishinweis
Der Beschluss der Vergabekammer, die in ihrer Entscheidung noch das „alte“ Vergaberecht anzuwenden hatte, dürfte zutreffend sein. Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass den öffentlichen Auftraggebern ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Angebotsprüfung und -wertung zugestanden wird.
Angesichts des seit dem 18. April 2016 geltenden „neuen“ Vergaberechts dürfte öffentlichen Auftraggebern jedoch anzuraten sein, sich mit der mündlichen Kommunikation in einem Vergabeverfahren zurückzuhalten. Denn gemäß § 9 Abs. 2 VgV kann die Kommunikation in einem Vergabeverfahren (nur dann) mündlich erfolgen, wenn sie nicht die Vergabeunterlagen, die Teilnahmeanträge, die Interessensbestätigungen oder die Angebote betrifft und wenn sie ausreichend und in geeigneter Weise dokumentiert wird. Der Verordnungsgeber dürfte bei dieser Regelung vornehmlich an die Kommunikation zwischen Auftraggebern und Bietern gedacht haben. Zumindest deutet die Kabinettsbegründung vom 20. Januar 2016 zu § 9 Abs. 2 VgV darauf hin. Nach dem bloßen Wortlaut von § 9 Abs. 2 VgV kann aber auch die Kommunikation zwischen Auftraggebern und Referenzgebern erfasst sein. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass eine Vergabekammer und/oder ein Vergabesenat das „Abtelefonieren“ von Referenzen nach dem neuen Recht für unzulässig hält.
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