VK Bund, Beschluss vom 9. November 2018 – Az. VK 2-98/18
Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) schreibt europaweit Komponenten für ein bereits bestehendes Messsystem aus. In der Leistungsbeschreibung gibt der AG vor, dass der Datenoutput bezüglich der gemessenen Daten zwingend im „ats-Dateiformat“ erfolgen muss.
VK Bund, Beschluss vom 9. November 2018 – Az. VK 2-98/18
Der Auftraggeber (AG) schreibt europaweit Komponenten für ein bereits bestehendes Messsystem aus. In der Leistungsbeschreibung gibt der AG vor, dass der Datenoutput bezüglich der gemessenen Daten zwingend im „ats-Dateiformat“ erfolgen muss.
In einem Vergabevermerk begründet der AG die Vorgabe bezüglich des Dateiformats wie folgt: „Das ats-Dateiformat muss von der ausgeschriebenen […] ausgegeben werden, gegebenenfalls mit einem Emulator, da das vorhandene Messsystem, insbesondere die Software, mit diesem Format arbeitet. Es hat über ein Jahr Entwicklungszeit gekostet, diese Software zu entwickeln und deshalb ist es für das […] nicht möglich, ein anders Format zu verwenden.“
Nach Auffassung eines potentiellen Bieters (ASt) verstößt der AG mit seiner Vorgabe bezüglich des Dateiformats gegen das Gebot der Produktneutralität. In einer Rüge gegenüber dem AG begründet er dies damit, dass das Dateiformat von einem Wettbewerber entwickelt worden sei und exklusiv von diesem verwendet werde.
Nachdem der AG der Rüge nicht abhilft, reicht der ASt einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer ein.
Ohne Erfolg. Die zwingende Vorgabe des ats-Dateiformats ist – nach Auffassung der Vergabekammer – vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die AG die Grenzen seines Leistungsbestimmungsrechts nicht überschritten.
Bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen sei der öffentliche Auftraggeber im rechtlichen Ansatz ungebunden. Die Auswahl des Beschaffungsgegenstands unterliege seiner Bestimmungsfreiheit und sei dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagert. Das Vergaberecht regele demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung.
Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers werden gleichwohl durch § 31 Abs. 6 VgV Grenzen gesetzt, da diese Vorschrift vorsehe, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei, der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nicht auf eine bestimmte Produktion, Herkunft, ein besonderes Verfahren, gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verweisen dürfe, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden.
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf führt die Vergabekammer sodann aus, dass die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers eingehalten seien, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sei, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden seien und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden sei, solche Gründe tatsächlich vorhanden seien, und die Leistungsbestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiere.
Gemessen an diesem Maßstab habe der AG die vergaberechtlichen Grenzen seines Leistungsbestimmungsrechts eingehalten. Für die Vorgabe des ats-Dateiformats habe der AG nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben. Zwar handele es sich bei diesem ats-Dateiformat tatsächlich um ein Dateiformat, welches von einem Wettbewerber der ASt entwickelt und exklusiv genutzt werde. Allerdings wurde die Festlegung des AG auf dieses Dateiformat bereits im Rahmen der Beschaffung des vorhandenen Messsystems und damit im Rahmen eines abgeschlossenen Beschaffungsverfahrens getroffen. Dieses Messsystem wurde – so die Vergabekammer – zur Verarbeitung von ats-Dateien mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand entwickelt. Gegenstand des nunmehr verfahrensgegenständlichen Beschaffungsvorgangs sei allein der Austausch von einzelnen bisher im Gesamtsystem integrierten Komponenten mit verbesserten Leistungseigenschaften. Im Vergabevermerk habe der AG die Vorgabe des Dateiformats im Einzelnen begründet. Vor diesem Hintergrund sei es vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die AG sich für die Beschaffung einer mit dem bestehenden Gesamtsystem kompatiblen Leistung entschieden hat.
Das Ergebnis und die Argumentation der Vergabekammer überzeugen. Die Vergabekammer hat geprüft, ob der AG ausnahmsweise vom Gebot der Produktneutralität abweichen durfte und auf Grundlage des streitgegenständlichen Sachverhalts einen solchen Ausnahmefall richtigerweise bejaht.
Öffentliche Auftraggeber sollten aus dieser Entscheidung keinesfalls die Schlussfolgerung ziehen, dass (offene oder verdeckte) Produktvorgaben ohne weiteres möglich sind. Produktvorgaben sind auch weiterhin lediglich in engen Grenzen zulässig.
Zudem ist im Falle einer Produktvorgabe die Begründung für eine solche Produktvorgabe für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren.
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