Beschluss vom 4. März 2024, VK 1-16/24
Die Vergabekammer des Bundes hat sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (Beschluss vom 4. März 2024, VK 1-16/24) mit einer von einem Bieter formulierten Generalklausel beschäftigt, durch sein Angebot alle Anforderungen der Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung zu erfüllen. Eine solch pauschale Versicherung des Bieters hilft über eine inhaltliche Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen nicht hinweg und schützt daher nicht vor einem Ausschluss.
Die Auftraggeberin führte ein europaweites, offenes Vergabeverfahren für wissenschaftliches Rechnen durch. In den Mindestanforderungen heißt es in Ziffer 10 des Leistungsverzeichnisses:
„Es muss eine Reaktionszeit innerhalb von 24 Stunden, mit deutschsprachigen Ansprechpartnern und Möglichkeit eines Vor-Ort-Services bei Bedarf an 5 Tagen (Montag-Freitag, zwischen 9:00-17:00 Uhr) gegeben sein. Ersatzteile für defekte Plug & Play Komponenten (während des Betriebs bzw. ohne Ausbau des Servers austauschbare Komponenten) sollen als Vorab-Austausch geliefert werden und werden vom Auftraggeber selbst eingebaut / ausgetauscht.“
Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Hinsichtlich der oben genannten Mindestanforderung führte sie im Rahmen des von den Bietern vorzulegenden Servicevertrags aus:
„Defekte Komponenten werden innerhalb der Garantiezeit zeitnah und kostenfrei durch Vorabaustausch der Teile ausgetauscht. Im Störungsfall ist ein kostenfreier deutschsprachiger telefonischer Service durch qualifizierte Mitarbeiter innerhalb von 24 Stunden (Montag bis Freitag 9:00-17:00 Uhr) verfügbar.“
Im Angebot der Antragstellerin findet sich zudem die Erklärung:
„Das Angebot unseres Unternehmens erfüllt alle Anforderungen, welche in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten sind.“
Mit Bieterinformation vom 19. Januar 2024 teilte die Auftraggeberin mit, dass das Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es sich nicht um das wirtschaftlichste Angebot handele. Die Antragstellerin rügte dies und beantragte am 29. Januar 2024 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Bundes.
Die Auftraggeberin führte im Rahmen des Verfahrens aus, die Antragstellerin erfülle nicht die Eignungskriterien in Bezug auf die Referenzen: die einzigen vergleichbaren Referenzen stammten nicht von der Antragstellerin, sondern von einer Schwesterfirma, ohne dass eine Eignungsleihe in Anspruch genommen worden wäre.
Darüber hinaus erfülle sie auch nicht die Anforderung aus Ziffer 10 des Leistungsverzeichnisses, da sie keinen Vor-Ort-Service anbiete, sondern nur einen telefonischen. Zudem sei der angebotene Service inhaltlich unzureichend.
Die Antragstellerin teilte dazu mit, dass sie am 1. Januar 2023 alle technischen Aktivitäten, einschließlich Mitarbeitern und Ausstattung von ihrer Schwesterfirma übernommen habe.
Ihr Angebot gehe zudem über die geforderte Mindestanforderung hinaus und umfasse den Vorabaustausch aller Teile, nicht nur beschränkt auf Plug & Play Komponenten. Es handele sich um eine klare Bestätigung, dass auch ein Vor-Ort-Service vorliege.
Die Vergabekammer des Bundes hielt den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für zulässig, aber unbegründet.
Hinsichtlich der Übertragung von Referenzen habe die Antragstellerin vorgetragen, dass sie alle technischen Aktivitäten ihrer Schwestergesellschaft übernommen habe, sodass ihr die angegebenen Referenzen auch vollständig zuzurechnen seien. Einer Eignungsleihe des Referenzgebers hätte es daher nicht bedurft.
Allerdings entspreche das Angebot im Hinblick auf den Servicevertrag nicht den im Leistungsverzeichnis beschriebenen Vorgaben aus Ziffer 10:
Angebote müssen gemäß § 57 I Nr. 4 VgV den ausgeschriebenen Vorgaben entsprechen. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn eine Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen vorliegt, also der Bieter nicht das anbietet, was der Auftraggeber ausgeschrieben hat. Um eine solche Abweichung festzustellen, müssen der Angebotsinhalt und die Leistungsbeschreibung der Vergabeunterlagen miteinander verglichen werden. Ob das Angebot des Bieters abweicht und damit die Vertragsunterlagen ändert, ist durch Auslegung der Leistungsbeschreibung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Maßgeblich ist hierfür nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung verstehen muss.
Die im hier vorliegenden Fall erfolgte Auslegung ergab, dass Anforderung der Vergabeunterlagen ein Vor-Ort-Service innerhalb von 24 Stunden bei Bedarf von montags bis freitags und jeweils von 09:00-17:00 Uhr gewesen sei. Daneben sollten Ersatzteile für defekte, während des Betriebs, beziehungsweise ohne Ausbau des Servers austauschbare „Plug & Play Komponenten“, die vom Auftraggeber selbst eingebaut oder ausgetauscht werden konnten, als Vorab-Austausch geliefert werden.
Das Angebot der Antragstellerin biete hingegen den Austausch defekter Komponenten zeitnah und kostenfrei durch Vorabaustausch an. Im Störungsfall werde zudem ein telefonischer Service innerhalb von 24 Stunden zu den geforderten Zeiten verfügbar sein. Dies stellt eine Abweichung von den Anforderungen der Vergabeunterlagen dar: Zum einen sei eine Vorratshaltung sämtlicher Teile bei der Antragstellerin selbst unrealistisch, andererseits seien die Komponenten durch Mitarbeiter der Antragstellerin auszutauschen. Die Antragstellerin biete zudem nur einen telefonischen Service innerhalb der geforderten Service Zeiten an, keinen Vor-Ort-Service innerhalb von 24 Stunden. Dies gehe auch daraus hervor, dass die Antragstellerin nur einen zeitnahen Austausch anbiete, was den Anforderungen der Auftraggeberin nicht entspreche.
Auch die pauschale Versicherung, das Angebot erfülle alle Anforderungen der Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung, ändere daran nichts. Eine solche pauschale Versicherung könne die konkrete Darstellung der angebotenen Leistung nicht „heilen“. Aus Sicht eines objektiven Empfängers ist das Angebot der Antragstellerin vielmehr so zu verstehen, dass es sich um konkrete vertragliche Verpflichtungen handelt, die die allgemeine Auffangklausel verdrängen. Dies entspreche auch der allgemeinen Auslegungsregel, wonach die speziellere Norm der allgemeinen Norm vorgehe.
Das Angebot sei hinsichtlich dieser Klausel auch nicht einer Aufklärung zugänglich, denn eine Zusicherung, dass der gewünschte Vor-Ort Service angeboten würde, würde keine Aufklärung, sondern vielmehr eine nachträgliche, nicht erlaubte inhaltliche Änderung des Angebots darstellen.
Der Beschluss der Vergabekammer des Bundes hält klar und präzise fest, dass Angebotsinhalte den Inhalten der Vergabeunterlagen entsprechen müssen und stellt dar, wie eine entsprechende Auslegung, auch von möglichen Abweichungen, anhand der §§ 133, 157 BGB zu erfolgen hat. Dem Bieter hilft eine Generalklausel in Bezug auf die Erfüllung aller erforderlichen Inhalte dabei nicht weiter und schützt im Ergebnis nicht vor einem Ausschluss. Vielmehr ist bereits bei der Erstellung der Unterlagen großes Gewicht auf den sorgfältigen Abgleich der angebotenen Leistung mit den Inhalten der Leistungsbeschreibung zu legen.
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