OLG München, Beschluss vom 2. Mai 2019 – Verg 5/19
Der Auftraggeber (AG) beabsichtigte einen Dienstleistungsauftrag im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Nach Abschluss der letzten Verhandlungsrunde gestattete der AG den verbliebenen Bietern, ihr finales Angebot jeweils per E-Mail einzureichen.
Die spätere Antragstellerin (ASt) reichte daraufhin unmittelbar vor Ablauf der Angebotsfrist ihr finales Angebot per E-Mail ein. Ein anderes Unternehmen, der spätere Beigeladene, teilte hingegen schon mehrere Tage vor Ablauf der Angebotsfrist per E-Mail mit, dass sein vorangegangenes Angebot zugleich sein finales Angebot darstellt.
Nachdem der AST mitgeteilt worden war, dass sie nicht den Zuschlag erhalten soll, erhob sie eine Reihe von Rügen. Nach der Zurückweisung dieser Rügen reichte sie einen Nachprüfungsantrag ein. Im Laufe der Nachprüfungsverfahrens gewährte die Vergabekammer der ASt Einsicht in die Vergabeakte. Dabei stellte die ASt fest, dass der AG die vorstehende E-Mail des Beigeladenen bezüglich seines finalen Angebots schon mehrere Tage vor Ablauf der Angebotsfrist geöffnet hatte. Damit war – nach Auffassung der ASt – ein vorfristiger Zugriff auf die Angebote nicht nur möglich gewesen, sondern sogar tatsächlich erfolgt. Auch dies rügte die ASt.
Nach der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer entwarf die AG ein neues Preisblatt und forderte die verbliebenen Bieter auf, ein neues Preisangebot einzureichen. Eine Angebotsübermittlung per E-Mail gestattete sie diesmal nicht mehr.
Aufgrund der Möglichkeit zur erneuten Angebotsübermittlung erklärte die ASt das Nachprüfungsverfahren für erledigt. Dem schloss sich die AG an.
Die Vergabekammer hatte daraufhin nur noch über die Kosten zu entscheiden. Dabei kam die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass die AG die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Dies begründete die Vergabekammer damit, dass eine zugelassene Angebotsübermittlung vergaberechtswidrig sei und dieser Vergaberechtsverstoß erst durch die Rückversetzung mit der Möglichkeit zur erneuten Angebotsabgabe beseitigt worden sei. Gegen diese Entscheidung legte die AG sofortige Beschwerde beim OLG München ein.
Ohne Erfolg. Der Vergabesenat hält die Kostenentscheidung zulasten der AG für zutreffend.
Darüber hinaus stellt das Gericht fest, dass eine Angebotsübermittlung per E-Mail nicht im Einklang mit § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VgV steht. Wenn der Auftraggeber gleichwohl diesen Übermittlungsweg ausdrücklich zulässt und ein Bieter diese Möglichkeit nutzt, dann hat dies jedoch nicht den Ausschluss des Angebots zur Folge. Denn ein Verschulden des Auftraggebers sei vom Bieter nicht zu vertreten. Fehler oder Organisationsverschulden des Auftraggebers dürfen sich nach Einschätzung des Vergabesenats grundsätzlich nicht zulasten der korrekt handelnden Bieter auswirken.
Stattdessen hätte eine Rückversetzung erfolgen müssen.
Die Entscheidung des Vergabesenats ist zutreffend. Eine Angebotsübermittlung per E-Mail ist im Oberschwellenbereich unzulässig. Es besteht eine Manipulationsgefahr, da die E-Mails bereits vor Ablauf der Angebotsfrist geöffnet werden könnten. Dementsprechend könnten Angebotsinhalte einzelner Bieter an Wettbewerber weitergereicht werden.
Wenn ein Auftraggeber gleichwohl eine Angebotsübermittlung per E-Mail zulässt und ein Bieter sein Angebot daraufhin auf diesem Wege übermittelt, dann darf dies nicht den zwingenden Ausschluss des Angebots nach sich ziehen. Immerhin hat sich der Bieter ausschließlich nach den Vorgaben des Auftraggebers gerichtet.
Zur Beseitigung des Vergaberechtsverstoßes ist es stattdessen notwendig, dass das Verfahren zurückversetzt wird und die Bieter ihre Angebote mit vergaberechtskonformen Mitteln einreichen können.
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