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VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Januar 2017 – Az. 3 VK LSA 54/16
Sachverhalt
Ein Auftraggeber („Ag“) schreibt im Wege einer öffentlichen Ausschreibung einen Auftrag für „Pumpwerksrekonstruktionen“ auf Grundlage der VOB/A aus. Die Antragstellerin („ASt“) gibt zum Ablauf der Angebotsfrist als einzige Bieterin ein Angebot ab.
Der Ag stellt nach Auswertung des Angebotes fest, dass das Angebot der ASt deutlich oberhalb seiner Kostenschätzung liegt (ca. 25%). Im Anschluss teilt der AG der ASt mit, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wurde, da kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entspräche. Infolge einer Rüge der ASt informiert der Ag die ASt ergänzend über die Differenz zwischen dem Angebots- preis und der Kostenschätzung. Zudem führt der Ag aus, dass die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich annehmbaren Preis geführt habe.
Die ASt zweifelt eine ordnungsgemäße Kostenschätzung an und fordert eine Überprüfung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer.
Entscheidung
Die Vergabekammer, die aufgrund landesvergaberechtlicher Bestimmungen in Sachsen-Anhalt auch für dieses unterschwellige Vergabeverfahren zuständig ist, hält den Nachprüfungsantrag für zulässig und begründet.
Die Vergabekammer führt aus, dass die Aufhebung eines Vergabeverfahrens eine Ermessensentscheidung des Auftraggebers sei, die von den Nachprüfungs- instanzen nur im Hinblick auf einen Ermessensnichtgebrauch oder einen Ermessensfehlgebrauch überprüfbar sei. Damit eine solche Überprüfung erfolgen kann, müsse ein Auftraggeber aber die entscheidungsrelevanten Gründe für die Aufhebung und die dazugehörigen Erwägungen sorgfältig und vollständig dokumentieren. Vorliegend sei keine ermessensfehlerfreie Prüfung und Dokumentation erfolgt. So habe der Ag vor der Aufhebung der Ausschreibung keine Preisaufklärung und keine Interessenabwägung durchgeführt, obwohl dies notwendig gewesen wäre.
Der Ag habe auch nicht geprüft, ob nicht entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weniger einschneidende Maßnahmen als die Aufhebung des Vergabeverfahrens in Betracht gekommen wären. Möglich gewesen wäre z.B. eine Reduzierung des auszuschreibenden Leistungsumfangs und eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand der Versendung der Vergabeunterlagen.
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass sich öffentliche Auftraggeber nicht leichtfertig in die Aufhebung „flüchten“ dürfen, wenn die eingegangenen Angebote oberhalb der jeweiligen Kostenschätzung liegen. Öffentlichen Auftraggebern ist bei einer in Betracht kommenden Aufhebung – auch im Hinblick auf drohende Schadens- ersatzforderungen von Bietern – anzuraten, das ihnen eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß auszuüben und insbesondere die Ausübung dieses Ermessens umfassend zu dokumentieren. Dabei sollten sie auch ausdrücklich festhalten, dass sie weniger einschneidende Maßnahmen im Vergleich zu einer Aufhebung in Betracht gezogen haben.
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